Ab wann sollte man anfangen für das 1. oder 2. Examen Klausuren zu schreiben?

Ab wann Klausuren schreiben jura

Ab wann sollte man anfangen für das erste oder zweite juristische Staatsexamen Klausuren zu schreiben? Und wie kann man Klausuren schreiben, obwohl man das materielle Recht bzw. die Formalia bestimmter Klagen noch nicht draufhat?

Wie können wir dir diese Fragen überhaupt beantworten?

Zunächst sollte klargestellt werden, dass diese Frage nicht pauschal beantwortbar ist. Wir können aber auf unsere Erfahrungen und die aus Gesprächen mit anderen zurückgreifen. Diese Erfahrungen stammen auch von Professor:innen, Repetitor:innen, Lehrbuchautor:innen und erfolgreichen Anwält:innen, sodass du dem Folgenden mit gutem Gewissen deine Aufmerksamkeit schenken darfst. Schließlich findest du hier noch einen Aufsatz mit einer Studie über Examenskandidat:innen, bei der unter anderem beobachtet wurde, dass das Schreiben von Klausuren zu einer Steigerung der Noten führt.

Wie viele Klausuren sollte man überhaupt schreiben?

Bei dieser Vorfrage lautet die Antwort wie so häufig: es kommt darauf an!

(Fast) alle Gespräche mit erfolgreichen Examenskandidat:innen führten zum selben Ergebnis: bis zu einer gewissen Anzahl geschriebener Klausuren führten mehr Klausuren zu mehr Punkten im Staatsexamen. Auch empirische Untersuchungen zeigen einen Zusammenhang zwischen der Anzahl geschriebener Klausuren und der späteren Examensnote.

Und wieso lautet die Antwort trotzdem „es kommt darauf an“?

Weil Ausnahmen wie so häufig die Regel bestätigten: aus Gesprächen mit Durchgangsbesten haben wir erfahren, dass es auch Examenskandidat:innen gibt, die über die Klausuren in der Arbeitsgemeinschaft hinaus, keine Probeklausuren mehr geschrieben haben.

Unabhängig von diesen Ausnahmen herrschte aber Konsens dahingehend, dass das Schreiben von Klausuren für eine gute Note grundsätzlich unerlässlich ist.

Wie viele Klausuren muss man geschrieben haben, bevor man examensreif ist?

Immer wieder findet man Listen mit einer Anzahl von Klausuren, die man vor dem 1. oder 2. Examen geschrieben haben sollte, so geisterte während meiner Vorbereitung für das 1. Examen eine Zahl von 100 Klausuren herum. Ganz egal aber, ob eine solche Zahl überhaupt sinnvoll ist, gilt grundsätzlich: je mehr Klausuren, desto besser.

Du solltest dich von dieser Aussage nicht verunsichern oder entmutigen lassen. Im Gegenteil! Denn auch, wenn das Schreiben von Klausuren viel Zeit, Überwinden des Schweinehunds und Nerven kostet, bietet das Schreiben von Klausuren dir eine bestimmte Sicherheit: du lernst etwas für deine Examensklausur.

Denn wenn du dich einen halben Tag mit drittschützenden Normen beschäftigst, ist dies zwar gut und wichtig. Aber du weißt trotzdem nicht, ob dieses konkrete Thema in deiner Klausur abgefragt wird. Mit jeder geschriebenen Klausur aber lernst du Technik, Timing und Wege, um mit unbekannten Problemen umzugehen. Und genau diese Learnings helfen dir bei jeder einzelnen kommenden Klausur.

Aus der Tatsache, dass das Schreiben vieler Klausur viel hilft folgt: je früher du anfängst, desto besser!

Dies heißt aber nicht, dass du dir sofort einen Klausurenkurs buchen musst. Denn es gibt verschiedene Möglichkeiten, kostenlos an gute Klausuren zu kommen und diese in Eigenregime zu lösen und dann mit einer Lösung nachzuarbeiten. Später solltest du aber schon regelmäßig deine Klausuren (professionell) korrigieren lassen. Alles zu Klausurenkursen, z.B. welche kostenlosen oder kommerzielle Anbieter es gibt, erfährst du hier.

Kann man auch schon Klausuren schreiben, obwohl man das materielle Recht und die Formalia noch nicht (ausreichend) beherrscht?

Ja, das ist möglich und das solltest du auch tun. Wir haben es wie folgt gemacht:

Die richtigen Rahmenbedingungen

Erste Voraussetzung ist, dass du das Schreiben der Klausur nicht nur als Lernkontrolle betrachtest, sondern als eigenständiges Lernen. Natürlich kannst du mithilfe mehrerer Probeklausuren unter Examensbedingungen abschätzen, ob du examensreif bist. Aber solange du nicht kurz vor deiner schriftlichen Prüfung stehst, dienen die Klausuren primär dazu, das Schreiben von Klausuren zu lernen. Es ist also völlig normal, dass du am Anfang der Examensvorbereitung nicht jede Klausur unter Examensbedingungen schreiben kannst.

Reduziere die Examensbedingungen

Die Lösung auf die obige Frage ist also, dass du die Klausur nicht zu 100 Prozent unter Klausurbedingungen schreibst. Jedoch solltest du stets so nah wie möglich bei den Klausurbedingungen bleiben.

Wenn du auf Klausurbedingungen verzichtest, solltest du damit beginnen, dass du eine Klausur ohne Hilfsmittel in unter 5 Stunden schreibst, aber das Thema kennst. Ein Beispiel hierfür sind kursbegleitende Klausuren oder die Klausuren der Kaiserseminare (2. Staatsexamen).

Wenn du das Thema nicht aussuchen kannst oder wirklich noch ganz am Anfang stehst, beginne eine Klausur trotzdem stets unter Klausurbedingungen. Das bedeutet eine maximale Schreibzeit von 5 Stunden und das nur mit den erlaubten Hilfsmitteln. Wenn du dann unbekannte Probleme oder Themen erkennst, brich die Klausur auf keinen Fall ab, sondern versuche diese Probleme zunächst „freestyle“ ohne Hilfsmittel zu lösen. Hierzu findest du in diesem Beitrag auch nochmal Tipps.

Erst, wenn dir dies nicht gelingt, nutze Hilfen wie Aufbauschemata, Kommentare, Lehrbücher/Skripten oder verlängere die Schreibzeit.

Verringere die Klausurbedingungen sukzessive und beginne mit den geringsten Hilfsmitteln. Google sollte das letzte Mittel sein. Google das Problem also erst dann, wenn du es nicht mithilfe aller anderen Hilfsmittel lösen konntest. Denn bei Google findest du die Lösung anderer und der wertvolle Lerneffekt besteht gerade in der Entwicklung einer eigenen Lösung.

Im 2. Examen findest du für die meisten materiell-rechtlichen Probleme Hinweise in den Kommentaren. Hier kannst du also nur in Ausnahmefällen rechtfertigen, dass du ein materiell-rechtliches Problem nicht kanntest. Auch die Prüfungsreihenfolge vieler Klagen/Anträge findest du im Kommentar. Verlängere hier also zunächst nur deine Schreibzeit. Sollte das mal anders sein, kannst du immer noch im Skript nachschlagen.

Gerade beim Thema Rubrum oder anderen Formalia bietet es sich im 2. Examen an, diese nicht gesondert auswendig zu lernen, sondern diese beim Schreiben der Klausur abzuschreiben und so learning-by-doing zu machen. So kann man die Formalia anwendungsbezogen lernen und muss sich diese nicht extra reinziehen.

Vorteile des Schreibens der Klausur mit Hilfsmitteln

Learning-by-doing! Du wirst dir die Fragen, die du nur mit Hilfsmitteln beantworten konntest, vermutlich danach nicht nochmal stellen. Denn du hast Lücken aufgetan und diese mit Wissen direkt gefüllt. Wir alle lernen zwar mit unterschiedlichen Methoden unterschiedlich gut, aber die meisten sind erfolgreich mit anwendungsbezogenem Lernen und genau das tust du, wenn du Klausuren mit kleinen Hilfsmitteln löst.

Ein weiterer riesiger Vorteil ist, dass du lernst, mit unbekannten Situationen umzugehen und mit dem unangenehmen Angstgefühl, das dir zuflüstert: „Du kannst das nicht! Wie soll das nur im Examen werden?“

Außerdem lernst du auch, unbekannte Probleme zu erkennen und zu lösen. Denn wenn du ein Problem erkennst, welches du vorher schonmal gelernt hast, ist das etwas anderes, als wenn du einen Sachverhalt analysierst und dir dabei auffällt, wo Problempotenzial ist.

Achtung: Merke dir, dass du die Klausur nicht unter Klausurbedingungen geschrieben hast!

Diesbezüglich solltest du unbedingt diesen Beitrag hier lesen. Den Link findest du weiter unten im Fazit nochmal. Du kannst also erstmal weiterlesen.

Reicht die Erstellung einer Lösungsskizze aus?

Das kommt darauf an, wie umfangreich und detailliert du deine Lösungsskizze erstellst und wie dein Timing bei Klausuren ist. Wenn du keinen Mehrwert aus dem Ausschreiben einer Lösungsskizze schöpfen kannst, reicht eine Skizzierung der Lösung. Das Erstellen einer Lösungsskizze ist auch immer besser, als überhaupt keine Klausur zu lösen.

Aber häufig werden Probleme in einer Lösungsskizze zwar problematisiert und erwähnt. Aber dann werden für die Probleme keine konkreten Argumente gesucht oder im Assessorexamen z.B. kein Tenor gebildet. Und so kann es passieren, dass du im Examen diese Fähigkeiten nicht ausreichend trainiert hast. Mit einer Lösungsskizze kannst du aber z.B. schauen, ob du den Aufbau der Lösung kannst und du schulst auch deine Fähigkeit Fälle zu lösen. Hinterfrage dich also stets streng selber und belüge dich nicht selbst. Es schadet auch nicht, mal bei einer Klausur nur die Lösungsskizze zu machen und dann mal wieder die Klausur vollständig auszuschreiben.

Wann man also anfangen Klausuren zu schreiben?

Wie gesagt, das kann man pauschal nicht sagen. Wir würden dir für das 1. Staatsexamen empfehlen, mit Beginn des Repetitoriums anzufangen Klausuren zu schreiben.

Beim 2. Staatsexamen solltest du spätestens mit der Anwaltsstation beginnen Klausuren zu schreiben. Es schadet aber nicht, ein paar Klausuren bereits in den vorherigen Stationen zu schreiben, z.B. wenn deine Verwaltungsstation eher entspannt ist.

Fazit

Grundsätzlich gilt: je mehr Klausuren du schreibst, desto besser. Daraus folgt, dass du naturgemäß schon früh damit beginnen solltest, Klausuren zu schreiben. Du kannst Klausuren schon früh schreiben, obwohl du manche Themen noch nicht gelernt hast, indem du Schritt für Schritt die Examensbedingungen lockerst. Achte aber dann darauf, dass du genau dokumentierst, wie du von den Examensbedingungen abgewichen bist. Mehr dazu findest du in diesem Beitrag hier. Alles zum Thema Klausurenkurse findest du hier.

Deine Meinung

Was glaubst du? Ab wann sollte man anfangen Klausuren zu schreiben? Welche Erfahrungen hast du gemacht? Wir sind sehr an deiner Meinung interessiert. Schreib uns gerne einen Kommentar!

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